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The Czechoslovak Talks ist ein Projekt, welches sich mit deren Aufnahme von Lebensgeschichten der tschechoslowakischen Landsleute in der Welt befasst. .Geschichten von persönlichen Aufstiegen sowie Stürzen, Chancen, Hindernissen und vor allem Lebenserfahrungen, die wir somit für nächste Generationen erhalten.

 

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Mildred und Naďja Dobiáš

„Unser Opa Frantisek kam nach Amerika bereits im Jahr 1906, die Oma Anna noch sechs Jahre früher. Beide fuhren natürlich in das unbekannte fremde Land wegen Arbeit. Der Opa war gelernter Bäcker und konnte in den Staaten auch bald als Bäcker arbeiten, die Oma war in einer Wäscherei eingestellt. Sie lernten sich erst dort kennen und siedelten sich zum Schluss in Chicago an. Sie bekamen drei Kinder – den Sohn František und Töchter Boženka und Anna, die noch als Kleinkind verstarb.

Im Jahr 1922 entschieden sie sich in die Heimat zurück zu gehen. Der Großvater kaufte für das gesparte Geld ein Landgut in Vlčtejn. Das Gut war mit seinen 106 ha wirklich groß und er war entschieden es zu bewirtschaften. Darüber hinaus betrieb er noch eine Bäckerei in Blovice. Den Kindern gefiel es sich hier, sie sprachen perfekt tschechisch und es war kein Problem sich in die tschechische Gesellschaft einzugliedern. František, unser Vater, liebte die Natur hier. Er war ein guter Schüler und oft musste er vor der ganzen Klasse  vorführen, wie toll er Violine spielt. Allen ging es hier wirklich gut.

Unsere schönsten und ältesten Erinnerungen gehören gemeinsamen Spielen im großen Garten mit einem Alpinum und Gartenwegen aus gelbem Sand.

Wir zwei wurden erst im zweiten Weltkrieg geboren. Deutsche Soldaten aus der Garnison in Nepomuk waren natürlich neugierig auf den „Amerikaner dort oben am Berg“ (amerikanische Staatsbürgerschaft besaß die ganze Familie) und sie kamen oft zu Besuch. Da muß ich anführen, dass sie gegenüber uns korrekt waren. Sie berechneten den Ausmaß der Felder und durchschnittliche Erträge, von denen sie uns pflichtige Abgaben vorschrieben. Wir belieferten sie noch mit Eiern, Fleisch und sonstigen landwirtschaftlichen Produkten. Es blieb uns kaum was übrig, aber es war für uns kein Problem mit wenig auszukommen.

Wenn ich mich an die Zeiten erinnere, so gehören unsere schönsten und ältesten Erinnerungen gemeinsamen Spielen im geräumigen und gepflegten Garten mit einem Alpinum und Gartenwegen mit gelbem Sand.

Nach dem Krieg begann sich alles zu ändern und wie der Vater feststellte, die Änderungen führten in keine positive Richtung. Im Jahr siebenundvierzig fuhr er deshalb zurück nach Chicago, um dort eine Arbeit zu finden und uns ein zu Hause zu besorgen. In einem knappen Jahr folgten wir ihn mit der Schwester, Mutter, Opa und Oma. Wir sprachen mit der Schwester kein Wort Englisch, waren anders angezogen und andere lachten über uns. In jeder Schulpause weinten wir und liefen nach Hause. Wir wollten nicht mehr zurück. Landsleute von der tschechischen Kommunität nannten uns Greenhorns. Am meisten wurde jedoch durch Heimweh unsere Mutti betroffen. Sie vermisste so sehr ihre Heimatregion und auch ihre Sporterlebnisse, weil sie eine begeisterte Sportlerin war.

Der Vater  bekam Arbeit bei tschechischer Zeitung, er verdiente 40 Dollar pro Woche. Das war das ganze Einkommen der Familie. Unser Leben war viel schlechter als in der Tschechoslowakei. Wir waren unglücklich, dass wir uns mit keinem unterhalten können, keine Freunde haben – mindestens also in dem ersten Jahr, bis wir Englisch gelernt haben. Darüber hinaus waren wir ständig Krank, das Klima da war nicht gut für uns. Ungefähr siebenmal  zogen wir um. Anschließend kaufte mein Vater ein Haus, in welches unsere ganze Familie rein passte – Großvater, Großmutter, Tante mit ihrer Tochter.

Im Herbst 1948 enteigneten wir uns in der Tschechoslowakei Kommunisten unser Landgut sowie die Villa. Unsere Familie war natürlich sauer, es war ja ein Verbrechen, nur hofften wir weiterhin, dass wir in die Tschechoslowakei wieder einmal besuchen. Wir erhielten Schriftverkehr mit Verwandten und Bekannten und dank dem wussten wir auch etwas darüber, was sich dort abspielt.  Im 1959 konnten wir unsere Heimat besuchen. Wir waren bei der Oma in Pilsen und trafen alle Verwandte, Freundinnen, besuchten Theatervorstellungen.  Seit dem kamen wir ungefähr zehnmal her zurück. Manche Bekannte trafen wir ziemlich regelmäßig, andere hatten Angst vor Kontakten mit uns, vor allem wegen Beobachtung durch die Staatspolizei. Wir wurden auch verfolgt. Mutti beschloss einmal, dem Karl, der jeden Tag mit dem Auto vor der Oma´s Haus stand, anzubieten, er soll rein kommen und mit uns Kaffee trinken. Tatsächlich ging sie vor das Haus aus, er bekam aber Angst und fuhr lieber weg.

Noch mehr litten wir allerdings die verdorbenen Jahre und Möglichkeiten. Wir hätten mit der Schwester Ballett studieren, wir liebten es beide und hatten auch Talent dafür.

Als im 1989 Tschechen wieder Freiheit bekamen, war die ganze Familie sehr glücklich. Zu der Zeit lebte der Vati nicht mehr, Mutti kam her jedoch alle zwei Jahre.  Anhand der Restitution erhielten wir zurück das enteignete Vermögen. Als  wir zurück in unsere Villa kamen und Innenräume, Zimmer, Bibliotheke, Balkon aus dem früher Vaters Blumen hangen, sahen, brach es uns beinahe das Herz. Es war praktisch eine Ruine. Noch mehr litten wir allerdings die  verdorbenen Jahre und Möglichkeiten. Wir hätten mit der Schwester Ballett studieren, wir liebten es beide und hatten auch Talent dafür. In Amerika fehlte uns das Geld. Anstatt zu studieren mussten wir arbeiten und letztendlich ganze Familie unterstützen. Es war ein Glück, dass wir auch in Amerika viele gute Leute kennen lernten, meistens einer tschechischen Herkunft,  über Sokol, der organisierte da viele gesellschaftliche Veranstaltungen und Unterhaltung.

In Tschechien waren wir mit meiner Schwester zum letzten Mal  vor einigen Monaten und fühlten uns dort wunderbar.  Sogar hatten wir in einigen Momenten das Gefühl, als ob  nichts davon, was wir in den Jahren der Emigration erlebten, nicht passiert wäre. Und wissen Sie – wir konnten das besser atmen, das Essen fanden wir mehr schmackhaft und gesund als in Amerika, Menschen mehr intelligent…In unserem amerikanischen Heim unterhalten sich alle nur über Arbeit und Sport. Es ist schwierig auszudrücken, aber wir fühlen uns noch jetzt in Böhmen mehr zu Hause.“

Schwestern Mildred und Naďa Dobiáš – Zwillinge, geboren am 23. Mai 1942 in der Tschechoslowakei.

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